HJÖRDIS BAACKE
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Dr. Ulrike Brinkmann
​Im Schatten der Bäume zurück in die Gegenwart
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„Der Atem der Bäume schenkt uns das Leben.“ Das Zitat der deutschen Lyrikerin Roswitha Bloch schließt eines der beliebtesten Videos auf dem YouTube-Kanal der Yogabloggerin Mady Morrison.1 Es wurde in einem frühlingshaften Kirschbaum-Hain in Berlin gedreht und ist eine ruhige, aber dennoch kraftvollen Yoga-Einheit, die besonders Bodenhaftung, Klarheit und Gelassenheit gibt, für alle, die für einen kurzen Moment aus ihrem Alltag entfliehen wollen.
Eine ganz ähnliche Wirkung haben die Gemälde und Zeichnungen von Hjördis Baacke. Ihre Wald- und Parklandschaften vermitteln Ruhe, kraftvolle Bäume geben uns Sicherheit, das flirrende Licht, das durch die Blätter bricht, ziehen uns regelrecht heraus aus unserer technisierten, schnelllebigen Welt und hinein in die Stille der Natur. In ihnen finden wir so eine Art Luxus-Pause und leben für einen kurzen Augenblick ganz im Moment, vergessen uns und unsere Befindlichkeiten. Die Natur liegt in unseren Genen, aber unser moderner Lebensstil führt dazu, dass wir zwar über die Natur reden und sie gerne anschauen, uns seit Jahrhunderten aber eigentlich immer mehr von ihr entfernen, als mit ihr und in ihr zu leben. Die Bilder von Hjördis Baacke erinnern uns daran, was wir verlieren könnten.

Bereits Albrecht Dürer (1471‒1528) oder Lucas Cranach (1472‒1553) entdecken die heimische Landschaft, und der mitteleuropäische Wald findet Eingang in ihren Gemälden und Grafiken. Der Wald ist bei ihnen auch ein Ort der Fabelwesen, der Quellnymphen oder sogenannten „Wilden Männern“ aus der nordischen Mythologie. Ein paar Jahrhunderte später, in der Romantik, gilt der Wald als Ort der Kontemplation und ist Sehnsucht- und Fluchtort vor politischen Turbulenzen sowie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen. Der Wald ist aber auch hier ein mystischer Ort, in dem sich real Erlebbares mit einer traumhaften Unheimlichkeit verbindet. Er ist der Ort, in dem die Korrespondenz von Natur und Gott greifbar wird. Man denke nur an Caspar David Friedrichs (1774‒1840) „Das Kreuz im Gebirge“, 1807/08, oder die „Abtei im Eichwald“, 1809/10. Das Göttliche wird hier zur Entsprechung der Natur.
Auch die Gemälde des Dresdner Malers Ludwig Richter (1803‒1884), der ebenfalls Gott in der Natur sieht, prägen unser aller Bild vom Wald: Bei ihm ist es der geheimnisvolle Märchenwald mit all seinen Sagengestalten und Legenden.
Zum Ende des 19. Jahrhundert werden Wälder und naturbelassene Landschaften zu Symbolen der Innerlichkeit. „Jede Landschaft ist gleichsam ein Seelenzustand, (…)“2, sagt der Schweizer Schriftsteller und Philosoph Henri-Frédéric Amiel (1821‒1881) und war damit vorbildhaft nicht nur für die Schweizer Symbolisten.3

Bei Hjördis Baacke, die an der HGB bei Arno Rink und Neo Rauch studiert hat und in Leipzig lebt und arbeitet, verliert der Wald nun seine Rätsel- und Symbolhaftigkeit. Hier geht es auf Waldwegen oder quer durchs grüne Unterholz; durch hohe Baumwipfel schimmert das Licht und weist den Weg weiter hinein in das Dickicht, in dem es immer wieder Neues zu entdecken gilt. Selten sind menschliche Figuren prominent in den Arbeiten zu sehen, meist fügen sich Personen eher unmerklich in die Landschaft ein. So verschmilzt die kindliche Gestalt, die gedankenverloren im Hier und Jetzt am Wasser spielt, geradezu mit der sie umgebenen Dübner Heide (2024) – die Jacke nimmt das leuchtende Grün der Pflanzen auf und die Mütze korrespondiert mit der glitzernden Wasseroberfläche. Der Mensch wird so zu dem, was er ist – einem Teil der Natur. In der Regel sind es aber nur von Menschen hinterlassene Spuren, die in den Gemälden Eingang finden: vorgegebene Sandwege, sich öffnende Lichtungen und Wiesen oder auch einfach nur Reifenspuren, die sich in schlammigen Wegen eingegraben haben. Dabei liegt eine gewisse Unschärfe über den Bildern. So gesehen sind es keine Abbilder, sondern eher Erinnerungs- oder auch Sehnsuchtsbilder. Ihnen wohnt der Wunsch nach dem Ursprünglichen, nach dem Natürlichen inne. Dennoch ist der Mensch immer präsent. Es sind eben nicht die wilde, unbändige Natur eines Cranachs oder der mystische Wald der Romantiker, die Baacke darstellt, sondern es sind von Menschen gemachte Kulturlandschaften, die in gewisser Weise für Orientierung sorgen und somit auch ein bekanntes Wohlgefühl beim Betrachten auslösen. Und auch wenn oft eine gewisse Melancholie und Einsamkeit selbst über den leuchtendsten und hellsten Bildern liegen, wartet das quirlige Urbane, die technisierte Welt, bereits hinter den Bäumen.
Manchmal erkennt man in dem dargestellten Wald sogar ein Stück vertraute Natur. Hjördis Baacke präzessiert in ihren Werken die charakteristischen Eigenheiten der von ihr besuchten Landschaften. Obwohl ihre Arbeiten vorrangig keine Titel tragen, erkennen die Leipziger natürlich gleich ihren Auwald – auf dem ein oder anderen Gemälde riecht man geradezu den vertrauten Bärlauch –, sanfte Wasserläufe durchziehen dagegen den Spreewald, Farne kennzeichnen das Ribnitzer Moor und Birken lieben die sandig-kargen Böden rund um Berlin. In den Kastanienblättern des Wiener Waldes meint man, die floralen Ornamente des Wiener Jugendstils zu entdecken. Ein Bildtitel würde nur vom Hineinträumen ablenken, die Ortsangabe als Alternativtitel in Klammern spielt nur eine untergeordnete Rolle – es geht vor allem um das Sein im Hier und Jetzt sowie das Transportieren von Atmosphäre. Ihre Inspiration findet Baacke auf Spaziergängen, Ausflügen und Reisen. Zahlreiche Fotos bilden die Grundlage, die Motive geben die Bildkomposition vor. Sie dienen später der Erinnerung einerseits aber auch als Gedankenskizze für Lichtverhältnisse und Stimmungen andererseits. Im Atelier tritt das eigentliche Motiv eher in den Hintergrund und es beginnt das Spiel und Experiment mit der Farbe. So ein Wald besteht ja nicht nur aus Erdfarben – es lohnt sich einmal genau hinzuschauen! Jede Jahres- und Tageszeit inszeniert sich anders. Durch das Blätterwerk brechende Sonnenstrahlen erhellen kurz verschattete Wege und ziehen dann weiter, eine geschlossene Wolkendecke verdunkelt dagegen Lichtungen, das Morgenlicht ist ein anderes als das Licht der Mittagszeit. Es sind vielfach leuchtende Farben, die uns die Natur präsentiert und die die Künstlerin auf das Geschickteste einfängt. Beginnend mit knalligen, intensiven Farben wie Rot folgen Schicht für Schicht gedecktere Farben. Einiges bleibt stehen, anderes wird überdeckt. Dies führt zu einer farbigen Lebendigkeit, die uns in die gewünschte Stimmung mitnimmt: in das frische Naturerwachen des Frühlings, die flimmernde Hitze des Sommers, in der die Bäume wohltuenden Schatten spenden und in das besondere Farbenspiel der verwelkenden Laubbäume im Herbst. Jede Jahreszeit hat ihre ganz eigene Farbpalette, die es zu ergründen gilt. So entsteht in den Wald- und Landschaftsarbeiten auch eine gewisse Dramatik, die uns in die Bilder hineinzieht und dort eine Zeit verweilen lässt. Die Bilder von Hjördis Baacke entführen uns heraus aus dem Grau der Städte in das frische Grün der Bäume und das wechselvolle Spiel der Sonne und bescheren uns so eine kleine Luxus-Pause von der Welt da draußen!

1 https://www.youtube.com/watch?v=-UzvYPZReRg (abgerufen am 24.02.2025). 2 „Every landscape is, as it were, a state of the soul, (…)“, Henri-Frédéric Amiel, Lancy, 31. Oktober, 1852. In: Amiel, Henri-Frédéric: Amiel's Journal, übersetzt ins Englische von Humphrey Ward, The Project Gutenberg EBook 2016 (abgerufen 20.02.2025). 3
Vgl. Anker, Valentina (Hrsg.): Mythos und Geheimnis: der Symbolismus und die Schweizer Künstler. Kunstmuseum Bern u.a., Paris 2013, S. 24.


Back to the present in the shade of the trees 

"The breath of the trees gives us life." This quote by German poet Roswitha Bloch concludes one of the most popular videos on yoga blogger Mady Morrison's YouTube channel.1 Filmed in a springtime cherry orchard in Berlin, it is a calm yet powerful yoga session that provides a sense of grounding, clarity, and serenity for anyone who wants to escape from their everyday lives for a brief moment.

The paintings and drawings of Hjördis Baacke have a very similar effect. Her forest and park landscapes convey tranquility; powerful trees give us security; the shimmering light breaking through the leaves literally draws us out of our technologized, fast-paced world and into the silence of nature. In them, we find a kind of luxury break and, for a brief moment, live entirely in the moment, forgetting ourselves and our sensitivities. Nature is in our genes, but our modern lifestyle means that, while we talk about nature and enjoy looking at it, for centuries we have actually become increasingly distant from it rather than living with and within it. Hjördis Baacke's paintings remind us of what we could lose.

Albrecht Dürer (1471-1528) and Lucas Cranach (1472-1553) were already discovering the local landscape, and the Central European forest found its way into their paintings and prints. For them, the forest was also a place of mythical creatures, the spring nymphs, or the so-called "Wild Men" from Norse mythology. A few centuries later, during the Romantic period, the forest was considered a place of contemplation and a place of longing and escape from political turmoil as well as social and economic upheaval. Here, too, the forest is a mystical place where the real world is combined with a dreamlike eeriness. It is the place where the correspondence between nature and God becomes tangible. Consider Caspar David Friedrich's (1774-1840) "The Cross in the Mountains," 1807/08, or "The Abbey in the Oak Forest," 1809/10. Here, the divine becomes the counterpart of nature.

The paintings of the Dresden painter Ludwig Richter (1803-1884), who also sees God in nature, also shape our image of the forest: For him, it is the mysterious fairytale forest with all its mythical figures and legends. By the end of the 19th century, forests and natural landscapes became symbols of inwardness. "Every landscape is, as it were, a state of mind, (...)"2, said the Swiss writer and philosopher Henri-Frédéric Amiel (1821-1881), thus setting an example not only for the Swiss Symbolists.3

In Hjördis Baacke's work, who studied under Arno Rink and Neo Rauch at the Academy of Fine Arts in Leipzig and lives and works in Leipzig, the forest now loses its enigmatic and symbolic quality. Here, the artist follows forest paths or walks through the green undergrowth; light shimmers through tall treetops, guiding the way further into the thicket, where there is always something new to discover. Human figures are rarely prominent in the works; they usually blend in rather imperceptibly with the landscape. Thus, the childlike figure, lost in thought, playing by the water in the here and now, virtually merges with the surrounding Dübner Heide (2024) – the jacket picks up the vibrant green of the plants, and the cap corresponds to the glittering water surface. Humans thus become what they are – a part of nature. As a rule, however, it is only traces left behind by humans that find their way into the paintings: pre-determined sandy paths, opening clearings and meadows, or even simply tire tracks dug into muddy paths. A certain blurriness pervades the images. Seen in this way, they are not depictions, but rather images of memories or even longing. They harbor a desire for the primal, for the natural. Yet humans are always present. Baacke does not depict the wild, untamed nature of a Cranach or the mystical forest of the Romantics, but rather man-made cultural landscapes that, in a certain way, provide orientation and thus also trigger a familiar feeling of well-being in the viewer. And even if a certain melancholy and loneliness often hangs over even the brightest and most luminous paintings, the bustling urban world, the technological world, is already waiting behind the trees. Sometimes one even recognizes a piece of familiar nature in the depicted forest. Hjördis Baacke captures the characteristic features of the landscapes she visits in her works.
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Although her works primarily lack titles, the Leipzig artists immediately recognize their own floodplain forest—in one or two paintings, one can practically smell the familiar wild garlic. Gentle streams, on the other hand, flow through the Spreewald, ferns characterize the Ribnitz Moor, and birch trees love the sandy, barren soils around Berlin. In the chestnut leaves of the Vienna Woods, one imagines discovering the floral ornamentation of Viennese Art Nouveau. A title would only distract from daydreaming, and the location, provided as an alternative title in parentheses, plays only a subordinate role—here, above all, is the focus on being in the here and now and conveying atmosphere. Baacke finds her inspiration on walks, excursions, and travels. Numerous photographs form the basis; the motifs dictate the composition of the picture. Later, they serve as memories on the one hand, but also as conceptual sketches for lighting conditions and moods on the other. In the studio, the actual motif fades into the background, and she begins to play and experiment with color. A forest like this isn't just made up of earth tones – it's worth taking a closer look! Every season and time of day presents itself differently. Sunbeams breaking through the foliage illuminate briefly shaded paths and then move on, a thick blanket of clouds darkens clearings, morning light is different from midday light. Nature presents us with many vibrant colors, which the artist captures with great skill. Beginning with bright, intense colors like red, more muted colors follow layer upon layer. Some remain, others are covered over. This leads to a colorful vibrancy that transports us to the desired mood: the fresh awakening of nature in spring, the shimmering heat of summer when the trees provide soothing shade, and the special play of colors of the withering deciduous trees in autumn. Each season has its very own color palette that is worth exploring. This creates a certain drama in the forest and landscape works, drawing us into the images and allowing us to linger for a while. Hjördis Baacke's images transport us from the gray of the cities into the fresh green of the trees and the changing play of the sun, thus giving us a little luxurious break from the world outside!

1 https://www.youtube.com/watch?v=-UzvYPZReRg (accessed February 24, 2025). 2 "Every landscape is, as it were, a state of the soul, (...)," Henri-Frédéric Amiel, Lancy, October 31, 1852. In: Amiel, Henri-Frédéric: Amiel's Journal, translated into English by Humphrey Ward, The Project Gutenberg eBook 2016 (accessed February 20, 2025). 3 See Anker, Valentina (ed.): Myth and Mystery: Symbolism and Swiss Artists. Kunstmuseum Bern et al., Paris 2013, p. 24.

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